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Lokzugkraft - Die Erste

Vorkriegs-Gleismaterial | | Lokzugkraft - Die Zweite

Hier stellen wir uns eine populĂ€re Aufgabe: Wieviele Wagen kann eine Lok ziehen? Wie wir sehen werden, hat das Ergebnis ĂŒberraschende Konsequenzen.

Zur Berechnung der maximalen Wagenzahl benötigen wir die Zugkraft Z der Lok und den Reibungswiderstand R der Wagen. Dann ist die maximale Anzahl der gezogenen Wagen

$\displaystyle{ N = \frac Z R }$

Bestimmen wir zuerst die Zugkraft der Lok. Diese ist begrenzt durch die Kraft, welche durch die Haftreibung vom Rad auf die Schiene ĂŒbertragen werden kann. Wird die maximale Haftreibung ĂŒberschritten, so drehen die RĂ€der der Lok durch. Auch wenn die Lok prinzipiell mehr Drehmoment aufbringen könnte, wird sie nur so viel Kraft auf die Schiene bekommen, wie die Haftreibung der RĂ€der es zulĂ€sst.

Die Haftreibung ist bestimmt durch das Lokgewicht und den Haftreibungskoeffizienten der LokrÀder. Bei einem Lokgewicht $G_L$ und einem Haftreibungskoeffizienten $c$ ergibt sich die maximale Zugkraft zu

$\displaystyle{ Z = c G_L }$

Der Haftreibungskoeffizient fĂŒr den Kontakt von StahlrĂ€dern auf Blechgleisen ist von Situation zu Situation verschieden und vom Verschmutzungsgrad der Gleise abhĂ€ngig. Eine gute NĂ€hererung dafĂŒr ist die Haftreibung von blankem Stahl auf Stahl mit einem Haftreibungskoeffizienten von ca. 0.17. Der Gleitreibungskoeffizient betrĂ€gt etwa 0.1.

Das heißt, dass z.B. eine R66/12920 mit StahlrĂ€dern und 950g Gewicht eine maximale Zugkraft von $0.17\cdot950g = 160g$ aufbringen kann. Wenn die Lok das Schleudern anfĂ€ngt betrĂ€gt die Zugkraft sogar nur noch $0.1\cdot950g = 95g$.

Nun zum Reibungswiderstand der Wagen:

Diesen kann man nicht hinreichend genau berechnen, sondern diesen muss man in der Praxis messen. Der Reibungswiderstand hÀngt nicht nur von der LeichtgÀngigkeit der Wagenlager, sondern auch vom durchfahrenen Kurvenradius und von der Steigung der Gleise ab.

Wir messen daher die Zugkraft, die benötigt wird, um einen Wagen in der Ebene aus dem Stillstand ins Rollen zu bringen. Unser Testaufbau besteht aus einer Briefwage und einer Umlenkrolle, die man sich provisorisch aus einer Wagenachse basteln kann:

Zugkraft-1 Zugkraft-2

Damit ergeben sich folgende ZugkrĂ€fte exemplarisch fĂŒr zwei angehĂ€ngte Personenwagen 1751 mit einem Gewicht $G_W \approx 300g$:

KurvenradiusZugkraft ZMittlere Zugkraft Z’ pro WagenZugkraftkoeffizient $C = \frac{Z'}{G_W}$
-15–20g8g0.029
122cm20–25g12g0.038
75cm30–40g17g0.058

Der Zugkraftkoeffizient $C = \frac{Z'}{G_W}$ ist in guter NÀherung unabhÀngig vom Wagengewicht, so dass gilt:

$\displaystyle{Z' = C G_W}$

Damit ergibt sich die Anzahl der maximal gezogenen Wagen wie folgt:

$\displaystyle{ N = \frac{Z}{Z'} = \frac{c G_L}{C G_W} }$

Auf einer ebenen geraden Strecke ergibt sich daher fĂŒr eine R66/12920 mit 950g Gewicht folgende Wagenzahl fĂŒr 4-achsige Personenwagen 1751 mit ca. 300g Gewicht:

$\displaystyle{ N_{R66/12920} = \frac{0.17 \cdot 950g}{0.029 \cdot 300g} = 19 }$

FĂŒr eine 3620er Kurve in der Ebene ergibt sich lediglich eine Anzahl von:

$\displaystyle{ N_{R66/12920} = \frac{0.17 \cdot 950g}{0.058 \cdot 300g} = 9 }$

FĂŒr eine 3610er Kurve in der Ebene ergibt sich immerhin noch eine Anzahl von:

$\displaystyle{ N_{R66/12920} = \frac{0.17 \cdot 950g}{0.038 \cdot 300g} = 14 }$

Wie schaut es nun aber auf der schiefen Ebene aus? Bei einer Steigung von x Prozent erzeugt sowohl die Lok als auch jeder Wagen eine zusÀtzliche Hangabtriebkraft:

$\displaystyle{ H = \frac{x}{100} G }$

Der gesamte Zug benötigt daher eine zusÀtzliche Zugleistung

$\displaystyle{ Z_H = \frac{x}{100} (N G_W+G_L) }$

Damit ergibt sich ein neuer Ansatz fĂŒr die maximale Wagenanzahl am Hang:

$\displaystyle{ Z = Z_H + N C G_W }$
$\displaystyle{ c G_L = \frac{x}{100} (N G_W+G_L) + N C G_W }$
$\displaystyle{ N = \frac{c G_L - \frac{x}{100} G_L}{\frac{x}{100} G_W + C G_W} }$
$\displaystyle{ \rightarrow N = \frac{(c-\frac{x}{100}) G_L}{(\frac{x}{100} + C) G_W} }$

Wir rechnen wieder ein Beispiel fĂŒr eine R66/12920 bei einer Steigung von 2%:

$\displaystyle{ N_{R66/12920} = \frac{(0.17-\frac{2}{100}) 950g}{(\frac{2}{100} + 0.029) 300g} = \frac{142.5g}{14.7g} = 9 }$

Hier die komplette WagenlÀngentabelle:

$ N_{R66/12920}$Gerade3610er Kurve3620er Kurve
Steigung 0%19149
Steigung 2%986
Steigung 2.5%875
Steigung 3%765

Als Schlußfolgerung sollte man keine Steigungen mit 3620er Kurven bauen und auch keine Steigungen, die steiler sind als 2.5%. Damit ergibt sich eine ZuglĂ€nge von 8 Wagen, die durchgĂ€ngig auf allen Kurven und Steigungen fahrbar ist.

Diese Berechnungen beziehen sich wohlgemerkt auf den Fall, dass man einen vollkommen sicheren Zugbetrieb wĂŒnscht, bei dem man an jedem Punkt der Strecke sicher halten und auch wieder anfahren will. Wenn man mit einem gewissen Schwung in den Hang geht, kann man natĂŒrlich mehr Wagen als in obiger Rechnung mitnehmen. Ein sicheres Anfahren ist aber nicht mehr gewĂ€hrleistet.

Es gilt ebenfalls zu bedenken, dass die obigen Rechnungen nur unter optimalen Bedingungen gelten. Jede kleine Unebenheit oder Verschmutzung der Gleise wĂŒrde sofort zum Überschreiten der maximalen Zugkraft und damit zum Schleudern der Lok fĂŒhren. Man sollte daher fĂŒr Gleisanlagen mit Steigungen eine Zugkraftreserve von ca. 40% berĂŒcksichtigen. Dies entspricht nĂ€herungsweise dem Unterschied von Haft- und Gleitreibungskoeffizient. D.h. bei 2% Steigung zieht eine R66/12900 rein rechnerisch einen Zug mit 9 Wagen. In der Praxis sollte man damit rechnen, dass man nicht mit mehr als 5 Wagen zuverlĂ€ssig auf Steigungen anfahren kann. Eine Anfahrsituation sollte man also auf Steigungen vermeiden.

Das ZugkraftverhĂ€ltnis wird noch ungĂŒnstiger, wenn man nicht von StahlrĂ€dern sondern von ZinkdruckgussrĂ€dern ausgeht. Der Haftreibungskoeffizient von Stahl auf Pb-Sn betrĂ€gt etwa 0,15. Entsprechend ist die Zugkraft von Loks wie R12910 und R12900 um ca. 10% erniedrigt. Dies ist aber nur ein theoretischer Wert, denn die rauhere OberflĂ€che von ZinkdruckgussrĂ€dern im Vergleich zu StahlrĂ€dern haben in der Praxis auf Blechgleisen sogar einen ca. 50% höheren Haftreibungskoeffizienten.

Eine Möglichkeit, die maximale Zugkraft zu erhöhen, ist das Lokgewicht zu erhöhen. Man kann z.B. ein SĂ€ckchen Bleischrot bzw. Schrotkugeln im vorderen Teil des GehĂ€uses verstauen. Blei hat eine relative Dichte von $11\frac{g}{cm^3}$. Um die Zugkraft um 25% zu erhöhen, benötigt man etwa 200g Blei. Dies entspricht etwa 20 ccm Bleischrot fĂŒr eine maximale WagenlĂ€nge von ca. 10 Wagen.

FĂŒr eine Erhöhung der Zugkraft um 50% brĂ€uchte man schon fast ein Pfund Blei. Das ist unrealistisch und schlecht fĂŒr die Lager und das Getriebe. Dann lieber 100% Erhöhung durch Doppeltraktion. Das reicht fĂŒr ca. 15 Wagen auf Steigungen und in der Ebene entsprechend fĂŒr bis zu 30 Wagen. Schwerere Loks als eine R66/12920 ziehen entsprechend lĂ€ngere ZĂŒge auch ohne Doppeltraktion.

Eine interessante Alternative zur Gewichtserhöhung ist Kupfer bzw. Messing. Kupfer ist mit 9g pro ccm nur unwesentlich leichter als Blei mit 11g pro ccm. Auf dem Wertstoffhof findet man Unmengen von schönsten Kupfer- oder MessingabfÀllen. Daraus kann man sich ein paar schöne Lokgewichte basteln. Noch dazu komplett umsonst und nicht halb so giftig wie Blei.

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